Archiv für den Tag 15. Juli 2020

Methylenblau in der Medakazucht

Autor: Maggie Haller (AUT)

Diesen Artikel habe ich bereits letztes Jahr verfasst, dennoch sind Mittelchen wie Methylenblau weiterhin beliebt in der Medakazucht. Selbst in Protokollen für die Laborhaltung und -zucht wird Methylenblau empfohlen. Dabei ist es ziemlich interessant, dass es gar nicht so viele Belege für die Wirksamkeit gibt.

Aber: Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Methylenblau (MB) lassen sich nicht verallgemeinern und sind von Fischart zu Fischart unterschiedlich. Im schlimmsten Fall richtet man mit der falschen oder ungenauen Dosierung sogar Schaden an. Dazu kommt, dass MB auch für den Menschen nicht ganz ungefährlich ist. Es gibt super Alternativen gegen Laichverpilzung, durch die die Verwendung von MB eigentlich nicht notwendig ist: Zum Beispiel Wasserwechsel und/oder Salz. Wenn man – aus welchem Grund auch immer – gar nicht um die Verwendung von MB herumkommt, sollte die Behandlungsdauer immer so kurz wie möglich gehalten werden.

Bei Park et al. (2019) führte Methylenblau zu einer geringeren Überlebensrate der Eier – die Einsatzkonzentration war aber auch um ein Vielfaches höher, als wir normalerweise verwenden würden. Also schauen wir uns einmal Studien an, bei denen die Einsatzkonzentration näher an den empfohlenen 2 mg/L liegt:

Chambel et al. (2014) haben Eier vom Zebrabärbling (D. rerio), Trauermantelsalmler (G. ternetzi) und Skalar (P. scalare) mit Konzentrationen von 0.5 bis 3 mg/L inkubiert. Die Skalare lasse ich außen vor, da die Schlupfrate der Kontrollgruppe beinahe 0 ist und somit die Ergebnisse nicht aussagekräftig sind. Bei den übrigen beiden Arten kommt die Studie zu komplett unterschiedlichen Ergebnissen! Während es beim Trauermantelsalmer bei 3 mg/L zu einer eindeutigen Verbesserung der Schlupfrate kam, gibt es beim Zebrabärbling keinen Unterschied zur Kontrollgruppe ohne MB.

Yeasmin et al. (2016) machte einen ähnlichen Versuch mit Karpfen (C. carpio) und MB-Konzentrationen von 1-5 mg/L. Dabei waren eine Verbesserung der Schlupfrate bei 1 und 3 mg/L und eine Verschlechterung bei 5 mg/L zu erkennen. Als Referenz ist ein Bild angehängt: die ersten drei Küvetten zeigen 2, 3 und 5 mg/L. Besonders kritisch sehe ich dementsprechend auch das Verdünnen „nach Augenmaß“ – zumindest traue ich mir nicht zu, nach Farbintensität die 3 und die 5 mg/L zu unterscheiden – was (beim Karpfen) bereits den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmacht!

In allen Büchern zur Fischmedizin, die ich kenne, wird Methylenblau, wenn überhaupt, nur kurz angesprochen – meistens als Mittel gegen Nitritvergiftung. Khoo (2000) schreibt sogar explizit, dass es nicht ausreichend Belege gibt, dass eine Verwendung von MB gegen Laichverpilzung helfen würde.

Dabei gibt es etliche gute Alternativen. Gerade für Medakazüchter wird interessant sein, dass Yeasmin et al. (2016) beobachten konnten, dass Kochsalz (NaCl) gleich gut wirkt, wie MB. 1g/L NaCl führte zu einer ähnlich guten Schlupfrate wie 1 mg/L MB und auch die Hemmung des Bakterienwachstums war ähnlich. (Natürlich muss auch beim Salz abgewogen werden, ob eine Fischart dieses verträgt).

Gründe, die für die Verwendung von MB sprechen, gibt es also eher wenige. Im Gegenteil, Studien belegen, dass neben akuter und Langzeittoxizität, bei Fischen auch teratogene Effekte (Fehlerhafte Entwicklung) auftreten. So gab es bei Skalaren Probleme mit der Schwimmblase und bei amerikanischen Dickkopfelritzen (Pimephales promelas) kam es zu schlechterem Wachstum.

Als Photosensibilisator greift MB in Verbindung mit Licht die Zellen an. Das bedeutet auch, dass alle Werte nur mit großer Vorsicht genossen werden können, da Licht MB um ein vielfaches aggressiver macht. Darüber hinaus wird MB nach GHS als irritierend und korrosiv eingestuft, es kann also auch für den Menschen schädlich sein.

Meine persönliche Empfehlung ist immer, auf Zusätze zu verzichten. Stattdessen wählt man am besten einfach ein etwas größeres Gefäß, wechselt regelmäßig das Wasser und wäscht sich vor dem Hantieren mit den Eiern gut die Hände mit Seife.

Verdünnngsreihe Methylenblau

Quellen:

Chambel, J., Costa, R., Gomes, M., Mendes, S., Baptista, T., & Pedrosa, R. (2014). Hydrogen peroxide, iodine solution and methylene solution highly enhance the hatching rate of freshwater ornamental fish species. Aquaculture International, 22(6), 1743-1751. doi: 10.1007/s10499-014-9779-1

Khoo, L. (2000). Fungal diseases in fish. Seminars in Avian and Exotic Pet Medicine, 9(2), 102-111. doi: 10.1053/ax.2000.4623

Kinoshita, M., Murata, K., Naruse, K., & Tanaka, M. (2009). Medaka: Biology, Management, and Experimental Protocols. John Wiley & Sons.

Methylene blue. (n.d.). Retrieved from https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov/compound/Methylene-blue on 23.11.2019.

Noga, E. J. (2010). Fish Disease: Diagnosis and Treatment. Somerset: Wiley.

Park, I.-S., Baek, S.-W., & Moon, K. H. (2019). The Sterilization Effect of Methylene Blue, Formalin, and Iodine on Egg and Adult Stage of Marine Medaka, Oryzias dancena. Development & Reproduction, 23(3), 199-211. doi: 10.12717/dr.2019.23.3.199

Rifici, L. M., Cherry, D. S., Farris, J. L., & Cairns, J. (1996). Acute and subchronic toxicity of methylene blue to larval fathead minnows (Pimephales promelas): Implications for aquatic toxicity testing. Environmental Toxicology and Chemistry, 15(8), 1304-1308. doi: 10.1002/etc.5620150807

Tuite, E. M., & Kelly, J. M. (1993). New trends in photobiology. Journal of Photochemistry and Photobiology B: Biology, 21(2-3), 103-124. doi: 10.1016/1011-1344(93)80173-7

Yeasmin, S. M., Rahman, M. A., Hossain, M. M. M., Rahman, M. H., & Asif, A. A. (2016). Identification of causative agent for fungal infection and effect of disinfectants on hatching and survival rate of common carp (C. carpio) larvae. Asian Journal of Medical and Biological Research, 1(3), 578-588. doi: 10.3329/ajmbr.v1i3.26481